Saison 2022 – Ein Rückblick aus ungewohnter Perspektive

Anfang September schloss das Freibad Grünhöfe seine Pforten. Rund acht Monate wird es nun dauern, bis wieder gebadet werden darf. Zeit genug für eine Rückschau auf die vergangene Saison.

Der Förderverein hat natürlich auch in diesem Jahr wieder mit etlichen Aktionen und Investitionen die Attraktivität des Freibads steigern können – welche sicherlich an anderer Stelle auf dieser Webseite noch gebührend gewürdigt werden. Dieser Bericht widmet sich hingegen der Art von Freibaderlebnissen, die man in der Hektik des Alltags gerne mal, im wahrsten Sinne des Wortes, übersieht…

Unser Freibad ganz entspannt zu früher Morgenstund…

Zur Freude aller Badegäste bot die Bädergesellschaft bereits im dritten Jahr in Folge erweiterte Öffnungszeiten am Vormittag an. Ein Trend, welcher sich hoffentlich auch 2023 fortsetzen wird.

Fleißige Teilnehmende des Frühschwimmens – 2022 bestand übrigens an insgesamt 80 Tagen von 6.30 bis 9.30 Uhr Gelegenheit dazu – haben sie sicher bereits einmal erblickt:

Diese seltsame, dunkle Neoprengestalt, welche bevorzugt auf Bahn 8 und in der Sprunggrube ihr Unwesen treibt und dabei gerne auch mal Badegäste erschreckt.

Unser Becken mit olympischen Gardemaßen (8 x 50 m) wird überwiegend für die Disziplin des allseits beliebten Enten-Flachwasser-Paddelns benutzt – in Fachkreisen manchmal auch nur kurz “Schwimmen“ genannt, wobei die Ausführung dieser grundsätzlich sportlichen Bewegung von Mensch zu Mensch doch arg unterschiedlich interpretiert werden kann.

Ich selbst habe über den Sommer 1.154 Bahnen absolviert. Das ist eine Strecke von 57.700 m und exakt die Luftlinienentfernung von unserem Freibad bis ins Stadtzentrum von Oyten. Oder wahlweise bis in den Museumshafen von Carolinensiel. Was einem eher zusagt. Nicht schlecht, doch gibt es bei uns sicher auch horizontales Plantschgetier (männlich/weiblich/divers), welches diese Distanz noch locker übertrifft.

Darum geht es aber gar nicht…

Wasser ist ein dreidimensionaler Raum. Eine Erkenntnis, die offenbar einige Badegäste stets unvorbereitet trifft. Aber mit einer durchgehenden Beckentiefe von 1,80 m und sogar bis zu 3,60 m (je nach Wasserstand) in der Sprunggrube wäre es geradezu eine Verschwendung, die Welt des Freibads nicht ein oder zwei Etagen tiefer erleben zu wollen.

Zugegeben, bestimmte Ausrüstungsgegenstände sind hier hilfreich. Neoprenanzüge sogar Pflicht, weil sonst droht ganz böser Gefrierbrand. Jemand, der sich viel zu lange mit sauerstoffschonenden Bewegungen unter der Oberfläche aufhält, kennt im Grunde nur drei Temperaturstufen: kalt, sehr kalt und ar***kalt.

Für die Statistiker unter euch: Den Negativrekord erreichten wir am 31. Mai mit schockartigen 16,7 Grad Celsius. Am kuscheligsten war hingegen der frühe Morgen des 26. Juni mit halbwegs angenehmen 25 Grad. (In der heißesten Woche des Jahres fiel das Frühschwimmen leider coronabedingt aus. Tja, Pech.) Im Durchschnitt lag die Wassertemperatur bei 21,9 Grad und damit rund ein Grad unter den Werten aus 2021 und 2022.

Zurück zum Outfit: Wird es kälter, können nach Belieben ein oder zwei oder drei (oder mehr…) Millimeter wärmendes Chloropren-Kautschuk aufgepellt werden – was der Kleiderschrank halt so hergibt.

Auch sonst gibt es ein bisschen was zu schleppen: Schwimmbrille, Frontschnorchel und kurze Schwimmflossen (fürs Entenprogramm, muss ja auch manchmal sein…). Dann aber Tauchermasken und Schnorchelflossen – natürlich farblich aufeinander abgestimmt – sowie Tauchcomputer und Unterwasserkamera. Am stärksten ins Gewicht fällt jedoch das Blei: Für eine ausgewogene Tarierung beim Tauchen ist der Gurt entsprechend zu bestücken. Im Laufe der letzten Saison habe ich deswegen insgesamt 306 Kilogramm in Form von Ein- und Zwei-Kilo-Bleistücken vom Parkplatz bis an den Beckenrand und zurück geschleppt. Das entspricht dem Gewicht von knapp 7 Kaiserpinguinen oder 51 Riesenseesternen.

Die richtige Bleimenge stets griffbereit, hier dargestellt: 6 kg.

Es wird deutlich: Mit dem üblichen Schmalspurprogramm bestehend aus Handtuch und Badeschlappen kommt man nicht weit. Entsprechend ausgerüstet aber steht einem Ausflug in Richtung Beckenboden nichts mehr im Wege.

Auf Bahn 8 geht es um 6.30 Uhr zunächst sportlich zugange – Streckentauchen mit Flossen (Dynamic with fins oder DYN für Kenner). Nach 50 Metern ist dann erstmal Pause. Für längere Strecken ist zum Schutz der eigenen Gesundheit ein Trainingspartner im Wasser zur Sicherung dringend anzuraten. (Bewerbungen als Buddy oder Buddine für 2023 nehme ich übrigens gerne entgegen.) Insgesamt kam so eine Tauchdistanz von 13.300 m oder 266 Wiederholungen zustande. 13 Kilometer ist die Nord-Süd-Distanz der Stadt Bremerhaven, vom Fehrmoor bis Bohmsiel. Dank des Klimawandels kann man diese Strecke ja vielleicht in ein paar Jahrzehnten sogar in echt nachtauchen.

Wem das anmutige und lautlose Gleiten wenige Zentimeter über dem Beckenboden zu friedfertig ist, kehrt an die Oberfläche zurück und versucht sich – man trägt ja praktischerweise bereits Maske und Flossen, es fehlt nur der Schnorchel – am Flossenschwimmen auf Zeit.

400 und 800 Meter sind empfehlenswerte Distanzen und ein hervorragender Fitnesstest für Hobby- und Breitensportler. (Erläuterungen und Tabellen gibt es hier: https://www.vdst.de/download/handreichung-leistungsabzeichen-flossenschwimmen/ )

Zu fortgeschrittener Stunde (es ist nun in der Regel kurz vor 7.00 Uhr) kommt der tiefenentspannte Part in der Sprunggrube. Ganz lockere Atmung in den Bauch, das Ausatmen dabei stets deutlich länger als das Einatmen, zum Schluss ein oder zwei besonders tiefe Züge. Dann heißt es: Kopf aus, Körper nach unten, Flossen in die Höhe. Es geht abwärts. Einen Druckausgleich der Ohren später ist man leider schon fast am Grund. (In diesem Moment wünscht man sich, das Becken wäre dreimal so tief. Vielleicht kann die Bädergesellschaft da mal was machen?)

Ganz unten angekommen, lässt man einfach los. Für ein bis zwei Minuten, je nach Tagesform auch länger, kann man die Welt da oben vergessen. Man lauscht dem Knacksen, Rauschen oder Summen des Wassers. So ein Schwimmbecken hat nämlich eine ganz eigene Geräuschkulisse, die man selten so intensiv wahrnimmt.

Feiner Sand und vereinzeltes Laub wirbeln über die Kacheln, aufgeweckt von den eigenen Flossenschlägen. Selten verirrt sich jemand hierher und stört die Ruhe. Die Enten trauen sich ja nicht. Und ja, gelegentlich tanzt auch ein Knäuel aus menschlichen Haaren, Pflasterresten und künstlichen Fingernägeln vor der Maske. Aber das gehört dazu.

Als Kontrastprogramm dazu ebenfalls möglich: Man schließt die Augen, horcht in sich hinein und sammelt Kraft für den bevorstehenden Tag.

Quasi wie Yoga. Nur unter Wasser. Und ohne zu atmen.

Mit dem Rücken auf dem Grund liegend, den Blick in den flüssigen Himmel – diese Perspektive ist ein verborgenes Highlight im Freibad Grünhöfe. Probiert es aus!

Und wenn das Wetter mitspielt, wird es umso schöner. Und das tut es eigentlich immer. Denn egal, ob die brechenden Lichtstrahlen der gerade aufgehenden Sonne ein Regenbogenmosaik auf den Fliesen zum Tanzen bringen oder Starkregen so heftig auf die Oberfläche trommelt, dass er sie in ein waberndes Aquarell verwandelt. Bleibende Eindrücke sind garantiert.

Schwimmbadkacheln müssen nicht eintönig sein…

Bevor man Gefahr läuft, da unten einzuschlafen – für die Jäger und Sammler unter uns gibt es noch was zu entdecken. Nach besonders besucherstarken Tagen verwandelt sich das tiefe Becken nämlich in eine wahre Fundgrube: Zopfbänder in diversen Farben, Ketten, kaputte Schwimmbrillen, Ohrstecker, Kordeln aus Badehosen, Feuerzeuge, Knopfmanschetten, undefinierbare Plastikteile, Haarreife und -nadeln, Gummidichtungen… Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

In letzter Zeit zudem verdächtig oft anzufinden: Münzgeld. Etliche Euronen habe ich als Bergungstaucher zu Tage gefördert. Der Wert wurde dem Förderverein als Spende überlassen.

An dieser Stelle daher vielen Dank an die Eltern, die ihren Sprösslingen offenbar reichlich Wechselgeld für die Pommes in die viel zu großen Taschen der Badebekleidung stopfen. Oder jemand hält das Freibad für den Trevibrunnen von Bremerhaven.

Mir soll’s recht sein.

Nach einer halben Stunde wird es trotz Neopren langsam kühl und ich ziehe mich zurück auf meine Bahn 8. Entweder noch ein bisschen Ausdauertraining oder man entspannt einfach auf dem Rücken treibend – diesmal gerne auch atmend – und betrachtet die Vögel und Wolken am Himmel. So endet ein wirklich runder Morgen im Freibad für mich.

An der Oberfläche ist allerdings noch einmal Aufmerksamkeit gefordert. Hin und wieder verirren sich Mäuse und Frösche ins Becken, die aufgrund des Höhenunterschieds von alleine nicht wieder hinaus finden. Der Einfluss von Chlorwasser auf Frösche wurde bisher nicht ausreichend erforscht, die süßen Feldmäuse aber sind bereits nach wenigen Minuten kurz vor der totalen Erschöpfung. So konnten in dieser Saison je ein brauner und ein grüner Frosch sowie drei Mäuse gerettet werden. Für eine arme Maus am Beckenboden kam hingegen jede Hilfe zu spät. (Hier bitte eine Schweigeminute einlegen.)

Gelegentlich auch im Angebot: Das Dampfbad.

Daher mein Appell an alle Besucher: Achtet auf verdächtige Bewegungen in der Ablaufrinne, das sind meistens Mäuse. Ein Frosch hingegen hüpft euch schon mal lässig von einer Leitersprosse auf Schulter oder Kopf. In allen Fällen gilt: Greift behutsam zu und helft den Tierchen an Land. Frösche sind übrigens gar nicht so glitschig wie sie aussehen (das Einfangen kann trotzdem schwierig sein, besonders unter Wasser. Hier ist Geduld gefragt.)

Das Fazit kann daher nur lauten: Sport, Spaß, Entdeckung und Entspannung. Das Freibad bietet alles. Und Tierschutz können wir auch.

Daher auch einen herzlichen Dank an das Fachpersonal der Bädergesellschaft, ohne deren beherzten Einsatz dies alles nicht möglich wäre.

Mein Tauchcomputer zeigt an, dass ich diesen Sommer 12 Stunden und 17 Minuten unter Wasser verbracht habe (leider nicht am Stück, das wäre ja noch schöner…).

Wer selbst einfach mal ein bisschen die Luft anhalten möchte – ob als sportlicher Anreiz oder für den mentalen Ausgleich zum Alltag – kann sich gerne bei mir melden. Ihr wisst ja, wo ich zu finden bin.

6.30 Uhr. Bahn 8. Der Typ im Neoprenanzug. Auf eine ebenso tolle Saison 2023!

Herzliche Grüße
Claus-Simon Engelbrecht
Vorstandsmitglied im Förderverein und Freitaucher